Nehmen Sie sich für diese Königin des Baltikums wenigstens ein verlängertes Wochenende Zeit. Auch eine ganze Urlaubswoche – vor allem im Frühling oder Spätsommer bis Herbst – werden Sie es nicht bereuen, denn Sie können das Sightseeing in Danzig mit herrlichen Strandaufenthalten an der polnischen Ostsee kombinieren. Beispielsweise in circa 30 Minuten in den mondänen Kurort Sopot bequem mit Nahverkehrsmitteln fahren. Ich habe in meinem letzten Blogbeitrag Gdańsk im Winter vorgestellt, aber bei weitem nicht ausgeschöpft. Nun ist der Frühling da und ohne dass man sich versieht, ist an der Ostsee der Kontinentalsommer mit vielen Sonnentagen eingeläutet. Jetzt ist aber erst einmal Zeit, das tausendjährige Danzig bei seinem Frühlingserwachen zu erleben und Sehenswertes draußen zu erleben.
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Danzig von Oben: Hügel, Bahnhof, Friedhof und Denkmal
Mein Tipp für den Anfang ist wie immer eine Annäherung von oben. In meinem letzten Blogbeitrag zu Danzig waren es die Doppeltürme der Marienkirche, der riesigen Backsteinkathedrale, von wo aus Ihnen die Reichsstadt zu Füssen liegt. In erster Frühlingssonne ist es schön, einen kleinen Spaziergang durch Grünanlagen auf die Góra Gradowa zu unternehmen. Dieser nur gut 50 Meter hohe Hügel liegt nördlich des alten Zentrums hinter dem Hauptbahnhof. Er beherbergt ein im 19. Jahrhundert zur Verteidigung der Stadt errichtetes Fort Bastion Jerozolimski (zu besichtigen), sowie ein großes, im Jahr 2000 erbautes Millenniumkreuz, das nachts auf die Stadt herabstrahlt. Mit Verwunderung habe ich von hier aus die vielen Soldatenfriedhöfe entdeckt: den Garnisonsfriedhof, den Friedhof der Sowjetischen Soldaten, den Friedhof der Französischen Soldaten und, ganz besonders interessant, den „Friedhof der verlorenen Friedhöfe“, der direkt hinter dem Hauptbahnhof liegt. Den Spaziergang durch diese ausgedehnte Anlage kann man gut an der Tram-Haltestelle „Powstańców Warszawskich“ beginnen.
Wenn ich schon in dieser Gegend bin, so besuche ich auf eine kurze Stippvisite den Gdańsk Główny, den Danziger Hauptbahnhof mit seinem zwischen Historismus und Sozialismus liegenden Charme. Um 1900 gebaut ist er ein sehr schönes Beispiel der sogenannten Danziger Neorenaissance. 1945 wurde das Gebäude angezündet, später wieder originalgetreu aufgebaut. Die schöne Innenhalle, die in den letzten Jahren einen verwahrlosten Eindruck machte, wird endlich restauriert. Vor dem Bahnhofsgebäude stehend schauen Sie nach Norden in Richtung der Unterführung. Dort steht das schöne und zugleich traurige Kindertransport Memorial, ein Denkmal für die von den Deutschen deportierten Kinder. Unbekannte legen hier regelmäßig eine weiße Rose nieder.
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Die Altstadt, die eigentlich Rechtstadt heißt
Es ist so viel über die Rechtstadt – die alte „Hauptstadt“ (Główne Miasto) – geschrieben worden, nicht zuletzt auch in meinem letzten Blogbeitrag, dass ich ganz gerne dieses Mal nicht die Must-See-Sehenswürdigkeiten abgehe. Es tut auch gut, sich einfach auf die alten Gassen und die schlanken Patrizierhäuser mit ihren bemalten, teils verblassten Wandmalereien einzulassen. Auf den mit Sandsteinplatten ausgelegten Wegen schlendern und sich trauen, einfach hier und da einzukehren, oder wenigstens den Kopf in die offenen Türen und Tore zu stecken. So mancher Tourist wird dabei mit interessanten Einblicken und die Fotografen mit vielen hier lauernden schönen Motiven belohnt.
Promenieren, shoppen und genießen an der Motława
An einem schönen sonnigen Tag mache ich es gerne den Danzigern nach, und gehe an die alte Motława (Fluss Mottlau), den innerstädtischen Fluss, der hinter dem Grünen Tor durch die Stadt fließt. Während der Hanseära war Motława ein hochfrequentierter, wohlstandbringender Fluss voller Koggen, großen Windjammern und Barken. Jenseits des Grünen Tors stehe ich also inmitten dieses uralten Hafens der Hanse und schließe kurz die Augen, höre auf das Stimmengewirr, und stelle mir vor, ich befände mich im 17. Jahrhundert… Die Szenerie, die sich dem offenen Auge bietet, ist natürlich modern, aber die Stimmung im Grunde nicht vollkommen anders. Wo einst ein reges Beladen und Entladen von großen und kleinen Schiffen, wo reger Handel herrschte, bevölkern die heutige Motława-Promenade Scharen von Flaneuren. Kleine Geschäfte, schöne Restaurants und Souvenirläden reihen sich hier Seite an Seite.
Entlang des Ufers legen Ausflugsboote und manches Segelschiff an. Die gesamte Gegend hat noch viel Potenzial. Auf dieser Promenade stößt jeder unweigerlich auf das Wahrzeichen Danzigs, das ursprünglich aus dem 14. Jahrhundert stammende Krantor (Museum), auf Polnisch „Brama Żuraw“ (Kranich-Tor), das das älteste und größte Gebäude seiner Art weltweit ist. Auch auf der anderen Seite des Flusses tut sich seit einigen Jahren etwas, denn die alte Speicherinsel, die im Zweiten Weltkrieg zerstört und aus finanziellem Mangel nicht aufgebaut wurde, erwacht allmählich zum Leben. Auf der Speicherinsel befinden sich einige gute Restaurants, ein nettes Brauhaus mit Danziger Bier im Ausschank, ein Museumsschiff sowie der internationale Yachthafen.
Fahrrad mieten und losradeln: Top-Sehenswürdigkeiten
Hand aufs Herz – wer geht gerne ins Museum, wenn er im Urlaub ist? Ich vermute, nicht viele, auch wenn alle Reiseführer sie erwähnen. Das ist schade, denn Museen beherbergen nicht nur interessante Objekte, sondern haben häufig richtig gute Überraschungen parat. Die Danziger Top-Museen, die sich besonders gut für einen Besuch im Frühjahr oder Sommer eignen, bieten neben cooler Gastronomie auch interessante Innen- und Außenarchitektur sowie sehenswerte Umgebung. Wenn das Frühlingswetter es zulässt, dann können Sie sich diese Orte in Eigenregie auf einem Fahrrad erarbeiten und dabei viel von dem Stadtgebiet rechts und links sehen. Für Lokalkolorit sorgt auch eine Fahrt mit der unschlagbar günstigen Straßenbahn.
TIPP 1: Europejskie Centrum Solidarności, das Europäische Solidarność-Zentrum (ECS)
Wie Sie wahrscheinlich wissen, begann der erste Widerstand gegen die sozialistische Diktatur in der Danziger Werft und zwar mit dem Aufstand der polnischen Gewerkschaft Solidarność. Dem Mut dieser Hafenarbeiter ist die spätere Öffnung des Ostens und seine Demokratisierung zu verdanken. An ihrer Spitze stand der spätere polnische Präsident und Nobelpreisträger Lech Wałęsa. Das ECS-Museum widmet sich mit vielen medial hervorragend präsentierten Ausstellungsobjekten und Filmen der Geschichte dieser eminent wichtigen Danziger Bewegung. Das Gebäude, das circa einen Hektar Fläche umfasst, steht auf historischem Boden der Danziger Werft, einen Steinwurf entfernt von dem architektonisch nicht minder spannenden Denkmal für gefallene Werftarbeiter (drei riesige Kreuze, die gleichzeitig Anker sind). Für das futuristisch anmutende Museum mit Wassergräben und rost-roter Stahlfassade zeichnen sich Wojciech Targowski (Architektur) und die Professoren der Danziger Akademie der Schönen Künste, Beata und Jarosław Szymański (Innengestaltung) verantwortlich. Ihre Ausstellungsräume gehören zu den besten musealen Präsentationen Europas. Besonders sehenswert ist der Hauptraum des Museums, der den Streiks der 1980er Jahre gewidmet ist. Weitere Sehenswürdigkeiten sind die 2.000 Originalschutzhelme, die im dramatischen Licht getaucht wie Waben von der hohen Decke herunterhängen. Im Inneren des riesigen Komplexes wachsen Bäume und kleine Wege laden zum Flanieren ein.
TIPP 2: Muzeum II Wojny Światowej, das Museum des Zweiten Weltkriegs
Mein zweiter Tipp ist das Museum des Zweiten Weltkriegs. So mancher mag jetzt denken, oh je, nicht schon wieder Krieg. Doch dieses Museum ist anders. Es imponiert zunächst durch seine modernistische Architektur, die einen schiefen, in die Erde versinkenden Turm aus Glas und Backstein darstellt. Seine Formensprache schließt an den schiefen Turm von Pisa an, verweist gleichzeitig aber auch auf die in den Kriegen versinkenden Kulturen, Städte und nicht zuletzt auch die ins Wanken geratende Menschlichkeit. Das Museum ist erst 2017 eröffnet worden und zieht seitdem enorm viele Besucher an. Die ständige Ausstellung stellt überaus interessante, rare aber auch schockierende Exponate aus. Das Museum betreibt ferner eigene wissenschaftliche Forschungen und organisiert verschiedene erstklassige Sonderausstellungen.
Gdański Teatr Szekspirowski (GTS): ein ungewöhnliches Shakespeare-Theater
Zugegeben, ein Theater während des Urlaubs aufzusuchen, kommt noch seltener vor als ein Museumsbesuch. Und dennoch möchte ich dieses seltene Gebäude als Tipp vorstellen. Beim Gdański Teatr Szekspirowski (GTS), dem Danziger Shakespeare-Theater, handelt es sich um eines der wenigen außerhalb von Großbritannien zu findenden anglikanischen Theatern. Anglikanisches Theater? Das ist eine zu drei Seiten hin offene, ehemals unter freiem Himmel stehende Bühne, die auf Interaktion mit dem Publikum ausgelegt ist. Das hypermoderne GTS orientiert sich am Originalgebäude aus dem 17. Jahrhundert, das noch vor gut 400 Jahren an dieser Stelle stand und das erste öffentliche Theater Danzigs war. Das heutige Theatergebäude schuf 2014 Renato Rozzi, der italienische Stararchitekt und Universitätsprofessor aus Venedig, der ein bewegliches Dach und mehrere bewegliche Bühnen im Inneren schuf. Für Architekturinteressierte ist das Gebäude ein Muss. Wie nicht anders zu erwarten, werden hier vor allem Stücke von Shakespeare (auf Polnisch „Szekspir“), daneben aber auch polnische und europäische Bühnenwerke von internationalen Ensembles gespielt, daher ist die Chance auf ein Theaterstück in englischer oder deutscher Sprache groß.
Murales, Wandmalereien im sozialistischen Ambiente
Ein Insidertipp sind die Murales, die Wandmalereien im Stadtteil Zaspa. Verirren Sie sich ruhig mit dem Fahrrad oder mit der Stadtbahn hierher und finden sich inmitten der sozialistischen Ära Polens wieder. In dieser Zeit wurde Danzig zur sogenannten „geschlossenen Stadt“, als der Zustrom von Menschen aus anderen Teilen Polens streng reglementiert wurde, damit die historische Stadt nicht überrannt wurde. Die Hochhäuser rund um die Kernstadt sind typisch für diese Zeit. Zaspas Siedlungsbauten stehen auf dem Terrain des alten Flughafens und bieten sage und schreibe 59 monumentale Wandmalereien entsprechenden ‚Ausstellungsraum‘ an. Für die Besucher heißt es, den Kopf weit in den Nacken zu legen.
Mein Tipp: Zum Abschluss möchte ich Sie auf eine coole Location, die „100cznia“, eine Institution zwischen der Zughaltestelle „Gdańsk Stocznia“ und der Werft aufmerksam machen. Ihr Name ist ein Wortspiel und bedeutet ausgesprochen „Werft“. Hier stehen ca. 20 große, bunt bemalte Container, die aus der Danziger Werft hierher gebracht wurden. Darin finden Sie neben Crossover-Küche oder „Was-auf-die-Hand“ auch alternative Ausstellungsräume, verschiedene Studios, bunte Geschäfte, eine gute Musikszene und so manche interessante Sonderveranstaltung.