Der Wald – das ist nichts Neues – tut dem Menschen gut. Aber warum er so gut tut, das konnte man noch nie so gut wissenschaftlich begründen wie heute. Und mit diesen Begründungen spaziert es sich noch viel lieber darin herum. Mit doppelt gesunden Auswirkungen, denn schließlich fördert das Wissen darum die berühmte selbsterfüllende Prophezeiung.
Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte man jedem, der behauptete, Bäume könnten untereinander kommunizieren, noch ein Stück tiefer in die Augen geschaut. Doch spätestens seit Peter Wohllebens Bestseller „Das geheime Leben der Bäume“ aus dem Jahr 2015 (inzwischen auch als Kinofilm) bekommt man keinen Esoteriker-Stempel mehr aufgedrückt, wenn man sogar über mehrere Kommunikationsarten der Pflanzen zu berichten weiß. Dem umstrittenen Förster also sei Dank, dass die Diskussionen über das wunderbare Potenzial der Bäume in wissenschaftlichere Bahnen gelenkt wurden. Dabei war er längst nicht der Erste, der die so genannte Forest Medicine salonfähig machte. Seit 2012 bereits ist „Shinrin-yoku“ – übersetzt heißt das in etwa „Einatmen der Wald-Atmosphäre“ – sogar ein eigener Forschungszweig an japanischen Universitäten. Und dieses Waldbaden, wie man es hierzulande oft nennt, ist dort medizinisch anerkannt als wirksame Prophylaxe sowie unterstützende Behandlung bei schweren Krankheiten.
Doch keiner kann behaupten, wir hätten das nicht früher wissen oder zumindest ahnen können. Bereits 1984 wurde in der bedeutendsten naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Science eine Studie des in Schweden ansässigen Professors Roger Ulrich vorgestellt. Er verglich Patienten, die nach einer Operation in einem Zimmer mit Aussicht auf grüne Natur lagen, mit einer Kontrollgruppe, die nur auf eine Ziegelwand blickte. Die Patienten mit Blick auf die Bäume erholten sich nicht nur deutlich schneller, sondern brauchten auch weniger Schmerzmittel. Irgendetwas schien sie also zutiefst beruhigt zu haben. „Als Überbleibsel der Evolution dürften Menschen die biologisch angelegte Neigung haben, dauerhaft positive Reaktionen auf die Natur zu zeigen, während sie diese Reaktionen auf die städtische und moderne Umgebung nicht aufweisen.“ folgerte Prof. Ulrich. Doch warum das so war, musste erst erforscht werden. Mit erstaunlichen Ergebnissen.
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Die schlauen Akazien
Dazu passen Peter Wohllebens erstaunliche Geschichten. Zum Beispiel die der Akazien-Bäume, die – nachdem sie von einer Giraffe angeknabbert worden sind – Bitterstoffe in die Blätter einlagern, um sich möglichst ungenießbar zu machen. Die Giraffe, der die Mahlzeit nun nicht mehr schmeckt, wendet sich aber nicht dem nächsten Baum zu, sondern geht jedes Mal ein ganzes Stück weiter, um erst dort wieder mit dem Fressen zu beginnen. Die verblüffende Erklärung: Der angeknabberte Baum kann seine Botschaft „Achtung, Fressfeind!“ an benachbarte Bäume weitergeben – mittels eines Warngases, das vom Wind transportiert wird. Auch in den heimischen Wäldern funktioniert eine Kommunikation unter Bäumen. Bei Insektenbefall etwa werden elektrische Impulse weitergegeben. Zwar nicht annähernd so schnell wie beim Menschen, aber mit einem Zentimeter pro Sekunde kann über das weit verzweigte Wurzelnetz doch einiges mitgeteilt werden.
Terpene als Gesundbrunnen
Doch worin ist nun der Gesundbrunnen für den Menschen enthalten? Bäume produzieren weitaus mehr als „nur“ Sauerstoff. Sie sondern auch noch so genannte Terpene ab – sekundäre Pflanzenstoffe, die auch in ätherischen Ölen enthalten sind, und mit deren Hilfe sie kommunizieren. „Pflanzen können über Düfte unerhört komplexe Informationen versenden und untereinander austauschen“, bestätigte Wilhelm Boland, Professor für organische Chemie. So berichten sie nicht nur, dass sie verletzt sind, sondern können auch übermitteln, wer sie verletzt hat – ein wichtiger Hinweis für die umgebenden Pflanzen, um sich vor genau diesem Feind schützen zu können. Von diesen Boten-Duftstoffen, den Terpenen, waren im Jahr 1892 bereits neun bekannt, heute sind es über 8.000 plus rund 30.000 verwandte Terpenoide.
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Und diesen haben auch wir eine Menge zu verdanken. Zum Beispiel eine deutlich verbesserte Immunabwehr: Nach einem einzigen Tag im Wald erhöht sich die Zahl der körpereigenen Killerzellen um fast 40%. Auch in den Tagen danach kann man noch eine erhöhte Aktivität der Killerzellen feststellen, die je nach Intensität des Waldbadens bis zu 30 Tage anhält. Bäume stärken aber nicht nur unser Immunsystem, sondern senken außerdem noch unseren Blutdruck, den Adrenalinpegel und unseren Puls, lindern Ängste und Depressionen. Bäume sind somit die effektivsten Stressentschleuniger, die wir kennen – und das ohne Nebenwirkungen.
So funktioniert Waldbaden
Unser einziger Einsatz: Zeit. Denn für ein wirkungsvolles Waldbad sollte man schon ein paar Stunden mitbringen. Im Gegensatz zu einem üblichen Waldspaziergang verschiebt sich der Fokus hierbei. Zum einen sollte man sich ganz bewusst kein Ziel setzen, keinen Wegpunkt erreichen wollen, sondern sich erlauben, ziellos umherzustreifen. Das sorgt dafür, dass man stärker seinem Bauchgefühl lauscht: Wohin zieht es mich? Worauf habe ich wirklich Lust? Fragen, die in einem von Pflichterfüllung dominierten Alltag nur noch selten gestellt werden. Der zweite Unterschied ergibt sich aus dem Ersten: Nicht die Pfade und Forststraßen geben den Weg vor, sondern die Intuition. Und die darf auch mal vom Weg ab führen, die sprichwörtlich ausgetretenen Pfade verlassen. Das ist schwerer als man denkt, weil völlig ungewohnt. Schließlich hat man viel Energie darauf verwendet, uns beizubringen, auf vorgefertigten Wegen zu bleiben. Zusätzlich sollte man an einem schönen Platz verweilen und ihm etwas Zeit widmen. Da unser Leben ständig in Bewegung ist, gehen viele Eindrücke unverarbeitet an uns vorüber. Hier hat man die Gelegenheit, das Rädchen etwas anzuhalten.
Kinder können’s besser
Am besten zu beobachten ist ein gelungenes Waldbad übrigens bei kleinen Kindern: Diese folgen ganz natürlich ihrem nächsten Impuls, halten sich nicht an die Wege und steuern auch kein konkretes Ziel an – was Erwachsene manchmal in den Wahnsinn treibt. Überlässt man sich aber diesem Zustand ganz bewusst, lässt man sich von seinen Bedürfnissen ehrlich leiten, gerät man in eine Art Flow-Zustand, der große Zufriedenheit hervorruft. „Selbstvergessen“ könnte man ihn nennen oder auch „achtsam“.
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Wellness auf drei Ebenen
Zu der an sich schon entschleunigenden Auswirkung kommen nun die positiven Effekte des frisch produzierten Sauerstoffs und der Terpene, die unseren ganzen Organismus stärken. Und wie wir seit Prof. Ulrichs Experiment wissen, tut das Grün auch dem Auge gut und leitet positive Botschaften weiter in unser Innerstes. Wellness auf drei Ebenen, könnte man das Waldbaden also nennen. Und es ist ganz umsonst, gleichzeitig mit einer wissenschaftlich verbürgten Gesund-Garantie: Hinterher geht es einem immer besser als davor. Also nicht weiter am Bildschirm verweilen – sofort die nächste Baumgruppe aufsuchen!
Und, wann machen Sie Wald-Wellness?