Wattwandern in der Nordsee

Table of Contents

Wildes Meer und weites Watt: Ebbe und Flut formten an der Nordseeküste eine einzigartige Landschaft, die länderübergreifende Nationalparks und Deutschlands größtes Biosphärenreservat schützen. Ein Welterbe der Natur, 5000 Quadratkilometer groß und immer neu im Spiel der Tiden. Bei Ebbe einmal über den Meeresboden laufen, die Füße in den weichen Sand bohren und die oft im Verborgenen hausenden Bewohner des Wattenmeers entdecken: Eine Wattwanderung ist ein unvergessliches Ferienerlebnis.

Wattenmeerwanderung bei Sonnenaufgang von Föhr nach Amrum

Eine Wattwanderung in der Nordsee

Als Perle der Wattwanderungen an der deutschen Nordseeküste gilt die acht Kilometer lange Passage von Dunsum auf Föhr zur Nordspitze der Nachbarinsel Amrum. Durch seichte Priele und das tiefe Mittelloch geht es von Insel zu Insel.  Letzter Halt an Land ist das Café „Der Wattläufer“ in Dunsum auf Föhr. Die ersten Schritte auf dem Meeresboden überraschen Landratten. Mal bis über den Fuß, dann sogar bis zur Wade gibt das Schlickwatt nach. Der graue Boden, der etwas modrig müffelt, gehört zu den lebendigsten Lebensräumen der Erde. Seine oberste Schicht besteht aus Millionen von Kieselalgen – für Schlickkrebse und Wattschnecken ein Schlaraffenland. Wer still ist, hört das Knistern der Schlickkrebse beim Fressen. Und entdeckt vielleicht eine der 100.000 kleinen Wattschnecken, die hier auf einem Quadratmeter leben. Sie vertilgen nicht nur alles, was sich am Boden absetzt, sondern verbinden durch ihre Ausscheidungen Sand und Schlick. Zu Tausenden drängen sie sich dicht an dicht im Wattboden und „kleben“ den Boden fest zusammen. Wegspülen lässt er sich so nicht mehr. Will die Wattschnecke weiterziehen, klebt sie sich mit ihrem Schleim an die Unterseite der Wasseroberfläche und lässt sich kilometerweit durch die Nordsee treiben.

Ferienwohnung an der Nordsee buchen

Tolles Licht am Abend sorgt für eine beruhigende Stimmung

Wattwanderung: Wellness pur

Und wie das nordseefrische Reizklima ist auch diese „Matsche“ Wellness pur: Unendlich reich an Mineralien, füttert sie den Körper mit Vitalstoffen und sorgt für geschmeidige Haut. Die Thalasso-Spas lassen sich die Behandlung teuer bezahlen. Draußen im Schlickwatt gibt es die Wellness gratis: einfach in den Boden greifen, Arme, Beine und den Rücken einreiben – und die Schicht, die beim Wandern langsam trocken, beim Bad im Priel wieder abwaschen. Naturkosmetik vom Feinsten. Dass dieser glucksende Wattboden anderen Menschen Glück und Hilfe bringen kann, beweist alljährlich im Hochsommer die größte Schlammschlacht im Watt: die Weltmeisterschaft der Schlickschlitten. Glitten die Fischer früher so zu ihren Stellnetzen im Watt, sammeln heute bei dem dreckig-bunten Spektakel kostümierten Teams Spenden für die Krebshilfe. So gruselig es vielleicht auch aussehen mag: Im Schlickwatt steckt ganz viel Gutes!

Artenreichtum: Wattwürmer, Strandkrabben, Krebse & Co.

Dann wird der Boden fester, übersät mit Spaghettihäufchen. Hier hat der Wattwurm sein Reich, der mit seinen Artgenossen im Mischwatt den Meeresboden umgräbt. Dann huschen Strandkrabben mit fünf Beinen übers Watt. Die kleinen Krebse können nur seitwärts laufen. Dwarslöper, Querläufer, haben sie die Nordfriesen daher genannt.

Draußen auf dem Sandwatt kitzeln „Spaghetti“ die Sohlen kitzeln – die Ausscheidungen der Wattwürmer. Kleine Rippen verwandeln das Watt in ein Waschbrett. Dann spiegeln sich die Wolkenberge des Himmels in der weiten Fläche, tanzt die Sonne in tausend Strahlen in Wasserlöchern und Rinnsalen. Still ist es. Der Alltag entschwindet, die Gedanken gehen auf die Reise. Zeit ist grenzenlos – bis zur nächsten Flut, die mit astronomischer Präzision pünktlich nach sechs Stunden und zwölf Minuten eintrifft. Pro Minute bedeckt sie 100 Meter Meeresboden – wer da nicht schnell genug an Land kommt, schwebt in Lebensgefahr. Denn die Flut rollt nicht nur von See her ran, füllt auch die Priele auf – und schneidet so den schnurgeraden Weg zurück ans Land ab. Neben den Prielen sind auch Seenebel höchst gefährlich. Blitzschnell ist die Sicht futsch, die Orientierung verloren. Wer hinaus ins Watt startet, sollte daher immer vorab den Seewetterbericht ansehen – und sich nicht auf die Wetter-App des Handys verlassen.

Wie winzig wirken die Menschen, die sich vom Watt am Himmel abzeichnen – und nicht direkt, sondern in einer großen Schleife durchs Watt wandern.  Grund dafür sind nicht nur die Schlickwattflächen vor Föhr, sondern auch das „Mittelloch“. Die Wasserhöhe des größten Priels an der Strecke ist stark von der Witterung abhängig. Mal reichen die Fluten des Wattstroms gerade bis zum Knie, dann bis zur Hüfte, gelegentlich auch bis zur Brust.

Daran sollten Sie denken bei der Wattwanderung

Am besten also: Badebekleidung unterziehen und ein Handtuch mitnehmen! Das Plantschen im Priel ist herrlich erfrischend. An manchen Tagen jedoch ist die Strömung zu stark, dann sollte man darauf verzichten. Auch barfuß sollte man im Watt nicht unterwegs sein.  „Am besten alte Turnschuhe oder Gummistiefel anziehen“, raten zertifizierte Wattführer. 300 Paare in Blau, Grün oder Rot von Größe 36/37 bis Größe 47 können allein auf Föhr Wattwanderer für ihre Ausflüge auf dem Meeresboden ausleihen. Zehntausende Stiefel sind es an der gesamten deutschen Nordseeküste.

Ferienwohnung auf den Nordfriesischen Inseln finden

Mit Gummistiefeln durch das Nordseewatt

Denn Muschelkanten sind messerscharf und schneiden die Haut in Sekunden auf. Die Austern, die hier gedeihen, landen beim Wandern gerne im Eimer. Wie auch die Herzmuschel. Die häufigste Muschelart der Gezeitenzone schmeckt nicht nur köstlich, sondern ist ein richtiger Saubermann. Jede Stunde filtert der drei Zentimeter große Zwerg 2,5 Liter Meerwasser. Sie unterstützt ein ziemlich gefräßiger Krebs: die Strandkrabbe. Überhaupt nicht wählerisch veranlagt, frisst sie alles, was ihr vor die Scheren kommt: Würmer, Muscheln, Schnecken, Algen – und jede Menge Aas.

Auf halber Strecke liegt mitten in der weiten Welt des silbrig funkelnden Watts das Wrack der „City of Bedfort“. Der Salpeter­frachter aus England, dessen Spanten 20 Zentimeter hoch aus dem Meeres­boden ragen, war 1825 auf dem Weg nach Esbjerg vor Amrum gestrandet, seine achtköpfige Besatzung ertrunken. Unzählige Sandbänke machen bis heute die Seefahrt bei Amrum zum heiklen Unterfangen. Mehr als 400 Schiffe sind vor der Insel im Laufe der Jahrhunderte auf Grund gelaufen. Nicht immer aus Kapitänsversagen – oft halfen die Insulaner nach. Mit falschen Leuchtfeuern lenkten sie die Schiffe in den weiten Kniepsand. Erst 1875 beendete der Bau des mit 63 Metern höchsten Leuchtturms der deutschen Nordseeküste das einträgliche Geschäft der Amrumer.

Seehundebänke im Watt entdecken

Ein Fernglas holt die Seehunde näher, die sich auf einer Sandbank aalen. Sie bringen ihren Nachwuchs erst kurz vor den Sommerferien zur Welt. Unter den jungen Welpen gibt es immer wieder ein paar „Heuler“. Sie haben ihre Mutter verloren und weinen laut, um von ihr gefunden zu werden. Gelingt es nicht, werden sie in der Seehundstation Friedrichskoog so lange aufgepäppelt, bis sie sich selbst versorgen können. Dann jagen sie mit Füßen, die zu Flossen wurden, und golfballgroßen Augen, die erst unter Wasser scharf sehen, Platt- und Schwarmfische, Krustentiere und Kopffüßer – fünf Kilogramm davon kommen täglich auf den Teller! Drei Tage jagen und fressen, drei Tage dösen und verdauen – das ist ihr Lebens-Rhythmus.

Allmählich kommt Amrum näher, wird das Watt wieder weicher. Das Große Seegras, das jetzt bei Niedrigwasser braungrün auf dem Mischwatt ruht, bildet bei Hochwasser eine sonnendurchflutete Unterwasserwelt, in der junge Fische umherhuschen. Neben dem Seegras gibt es nur noch zwei weitere Blütenpflanzen, die es ertragen, jeden Tag zwei Mal für Stunden unterzutauchen: das Schlickgras und der Queller, der als Pionierpflanze zwischen Land und Meer längst auch die friesische Küche erobert hat – und die Sylt-Kosmetik von Litorage.

Der Kniepsand – Europas größte Sandkinste

Dann erscheint Europas größte Sandkiste immer deutlicher am Horizont. Fast elf Kilometer lang und bis zu 1,5 Kilometer breit ist der Kniepsand. Ihn nährt der Sand vom Nachbarn im Norden: Sylt. Während Deutschlands beliebteste Urlaubsinsel alljährlich mit Millionen Euro gegen das stete Schrumpfen im Süden gegenan baggert, lässt die Nordsee Amrum kostenlos weiterwachsen. Schon jetzt nimmt der berühmte Inselstrand fast die Hälfte der Fläche ein. Den Rest teilen sich fünf Inseldörfer, Pferdekoppeln und Weizenfelder, Dünenheiden und der mit 200 Hektar größte Wald einer Nordseeinsel. Durch die Dünen geht es bis nach Norddorf, per Bus nach Wittdün – und mit der Fähre zurück nach Föhr. Wer dort weiterwandern möchte im Watt, könnte zwischen Föhr und Sylt im Sandwatt eine neue Insel entdecken.

Ferienhaus auf Sylt buchen

Durch Maßnahmen der Landgewinnung kann aus diesem Wattboden die Marsch entstehen.

Im Sandwatt eine neue Insel entdecken

Veränderte Strömungsverläufe im Watt haben dort den Sand schon deutlich über Normalnull angehäuft. Das Katasteramt hat das jungfräuliche Eiland bereits erfasst und Kormoraninsel‘ getauft. Das Watt steckt voller Wunder. Und das auch vor Niedersachsens Küsten und bei den Ostfriesischen Inseln. Dort zieht auf dem hohen, weiten Himmel wieder der Seeadler seine Kreise. Fast 2,50 Meter breit spannen sich seine Flügel. Mit seinen Adleraugen kann er auf drei Kilometer Entfernung die kleinste Bewegung am Boden und im Wasser erspähen. Sieht er Gänse, Enten oder Fische, stößt er im Steilflug auf sie herab und nimmt sie mit in den Horst zu seinem Nachwuchs. Denn seit einigen Jahren brütet der deutsche Wappenvogel wieder an der Nordseeküste.

Eine Wattenmeerwanderung ist ein einmaliges Erlebnis

Gehören zu jeder Wattwanderung: Krabbenbrötchen & Silbermöven

Allgegenwärtig ist die Silbermöwe – sie gehört zur Nordsee wie Wellen, Wind und Meer. Auf silbergrauen Schwingen sucht sie Küsten und Strände nach Nahrung ab, stürzt sich begierig auf alles, was die Fischer von ihren Trawlern zurück ins Meer werfen – und gerne auch auf ein Krabbenbrötchen. Solch ein Schmaus frisch vom Kutter gehört nach einer Wattwanderung einfach dazu! Und während die Flut wieder den Meeresboden erobert, lockt in Gedanken bereits der nächste Ausflug ins Watt, eine noch größere Tour – und diesmal in Niedersachsen. Dort beginnt in Neuharlingersiel die Zehn-Kilometer-Wanderung nach Langeoog. Dieser Walk im Watt ist nichts für Anfänger. Ausgedehnte Schlickfelder, Priele und Wattfahrwasserwege fordern die Kondition. Wie gut, dass am Ostzipfel die Gaststätte „Meierei“ für Stärkung sorgt. Da kann, wer fit ist, gleich noch weitere zehn Kilometer quer über die Insel bis zum Hafen wandern, wo die Fähre die Wattwanderer zurück zum Festland bringt. Oder in die Pferdekutsche steigen, die auf der Insel verkehrt. In Cuxhaven sind die Kutschen auch im Watt unterwegs. Dort heißt das Ziel Neuwerk. Die kleine Insel in der Elbmündung gehört seit 1204 zur Hansestadt Hamburg. Von den Cuxhavener Stränden Sahlenburg und Duhnen weisen Pricken den Weg durchs Watt dorthin. Alle Jahre neu werden diese umgedrehten Reisig-Besen im Abstand von 50 bis 150 Metern in den Meeresbogen gesteckt. Bessere Wegweiser gibt es nirgendwo im Watt. Eine Karawane folgt ihnen jeden Sommer zu Insel.


Haben Sie Lust auf eine Wattwanderung in der Nordsee bekommen?


Tolle Unterkünfte an der Nordsee

Beitrag teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Neueste
FeWo & Häuser mieten
Reiseinspiration frei Haus

Das könnte Dich auch interessieren

Logo
© 2024 Ferienhausmiete.de