Gdańsk – der polnische, aus dem Lateinischen abgeleitete Name entfaltet sich so ganz anders, beinahe schon etwas geheimnisvoll auf der Zunge als die harte deutsche Variante Danzig. Für mich symbolisiert der polnische Name mit seinen harten Anfangsvokalen und dem weichen Ausgang perfekt jene zwei Seiten, die die 1000-jährige Stadt ausmachen. Die Hansestadt Danzig präsentiert sich auf den ersten Blick nordisch-hanseatisch, stolz und vielleicht auch etwas ‚unterkühlt‘. Wer noch einmal hinschaut, der entdeckt viel Verspieltheit, altpolnische aber auch neu interpretierte Speisen auf Gourmetniveau, moderne Museen und gemütliche Brauhäuser, daneben vielleicht den schönsten Bernstein und die besten Silberschmieden der Welt.
Ferienunterkunft in Ostsee Pommern buchen
Wer noch etwas mehr Zeit und Neugierde investiert, der entdeckt geheimere, versteckte Orte, die Eingeweihte aufsuchen. In Danzig wandern Sie buchstäblich durch den Querschnitt europäischer Geschichte: Hier entstand die Gewerkschaftsbewegung Solidarność, ohne die der Zusammenbruch des sogenannten Ostblocks und damit der DDR nicht möglich gewesen wäre; hier begann der Zweite Weltkrieg mit Deutschlands Überfall auf Polen; hier wurde die größte Backsteinkirche der Welt errichtet; hier entschied sich die Bevölkerung, eine Freie Stadt Danzig zu sein, und hier herrschte die mächtige Hanse über die Ostsee. Dieses und noch viel mehr macht die „Ewige Stadt“ bis heute so attraktiv.
Wie Sie sich schon denken können, lässt sich Danzig kaum in einer Woche ergründen, geschweige denn an einem Tag. Und weil Danzig es wert ist, nicht nur kurz aufgesucht zu werden, bildet dieser Blogbeitrag den Auftakt zu einer Danziger-Trilogie, die mit noch mehr Insidertipps für den Frühling und Sommer aufwarten wird. Doch nun kommen wir endlich zum ersten Teil – dem „Winterlichen Danzig “.
1. Im Vorbeigehen gesehen: Highlights auf dem Weg zum winterlichen Stadtausblick
Begegnen Sie einer Ihnen unbekannten Stadt am besten mit einem Rundumblick von oben. In Danzig bieten sich dafür zwei Stadtpunkte an: die Türme der Marienkirche und der Gradowa-Hügel. Auf dem Weg zu beiden Aussichtspunkten passieren Sie zahlreiche Top-Sehenswürdigkeiten, die Ungeduldige natürlich sofort besichtigen können. Wir aber durchqueren die alten Stadttore, das Hohe Tor/Brama Wyżynna und das Goldene Tor/Złota Brama und flanieren entspannt durch die breite mit Steinplatten ausgelegte Langgasse/ulica Długa, die nahtlos in den Langen Markt/Długi Targ übergeht, bis wir die beeindruckende Danziger Marienkirche erreichen, die wie eine Burg inmitten der filigran gebauten Altstadt thront. Auf dem Weg dorthin ist Staunen durchaus angesagt, denn hier reiht sich ein herrliches Patrizierhaus an das nächste und Cafés, Restaurants, noble Antiquitätenläden und schicke Kunstgalerien besetzen die unteren Etagen.
Die Marienkirche/Bazylika Mariacka steht auf meiner persönlichen Top-Sightseeing-Liste des „Winterlichen Danzigs“ an vierter Stelle. Sie gilt als die größte Backsteinkirche der Welt, dabei hat sie eine überraschend kleine, zwischen den Doppelturmspitzen versteckte Aussichtsplattform. Dieser Ausblick auf die Altstadt ist unvergesslich – genauso wie der Weg zu ihm hinauf. 409 Treppenstufen führen zu dem atemberaubenden Blickvergnügen, den sogar Nicht-Schwindelfreie genießen können. Allerdings kann die uralte Holztreppe im obersten Turmbereich, die mich stark an Hitchcocks „Vertigo“ erinnert, Höhenangst erzeugen.
Die Basilika entpuppt sich im Inneren als eine riesige, weißgetünchte und lichtdurchflutete Hallenkirche, die bis zu 25.000 Menschen Platz bietet. Hohe Fenster, filigrane Kreuzrippengewölbe, monumentale feinziselierte Pfeiler und nicht zuletzt die durch Kriegszerstörung bedingte Leere erzeugen eine feierliche Atmosphäre. Betrachten Sie aufmerksam die teils kriegsversehrten Ausstattungsreste wie die eindrucksvollen Engelsfiguren und die vielen Gedenkstätten innerhalb der Kirche. Nehmen Sie sich Zeit, um die schönen Skulpturen, die spezielle Uhr und die ausgesuchten Altäre aus dem späten Mittelalter auf sich wirken zu lassen. Versäumen Sie dabei nicht, vor der hervorragenden Nachbildung des weltberühmten Altargemäldes „Das Jüngste Gericht“ von Hans Memling einen Stopp zu machen. Ich bin mir sicher, dass diese auf den ersten Blick so karg erscheinende Basilika auch Sie in ihren Bann ziehen wird.
Ferienunterkunft an der Polnischen Ostsee buchen
2. Die Hintergründe um die Top-Sehenswürdigkeiten der Altstadt
Die Sehenswürdigkeiten, die Sie auf dem Weg zur Marienkirche passieren, wurden zwischen 1400 und 1700 von niederländischen, vereinzelt auch von deutschen Architekten erbaut, die in dieser Zeit zu Crème de la Crème der Architektenzunft zählten. Der gesamte Kern der Altstadt, die richtigerweise eigentlich Rechtsstadt heißen müsste – Achtung: in Danzig heißt die Altstadt „Główne Miasto“ (wörtlich „Haupt-Stadt“), die eigentliche „Altstadt“ heißt „Stare Miasto“ und befindet sich in der Gegend um den Hauptbahnhof herum –, ist auf Repräsentation ausgelegt. In jedem Gebäude spiegelten sich die Macht der Hanse und der Wohlstand ihrer Bewohner wider. Neben reichen Hanseaten, Patriziern und Ratsherren, die Prachthäuser wie das sogenannte Goldene Haus/Złota Kamienica oder das Uphagen-Haus (beide zur Besichtigung empfohlen) bauten, wurde auch an polnische und ausländische Könige gedacht, die auf Besuch in der Stadt entsprechend fürstlich residieren sollten. Ihnen baute die Hansestadt das prachtvolle Stadtpalais, das Grüne Tor/Zielona Brama heißt und als Torhaus konzipiert ist. Heute beherbergt es eine Dependance des Nationalmuseums, es diente aber auch schon dem polnischen Präsidenten Lech Wałęsa als Büro.
Sicherlich wissen Sie bereits, dass das alte Zentrum von Danzig im Zweiten Weltkrieg von deutschen Truppen sowie im englischen und russischen Bombardement dem Erdboden gleich gemacht wurde. Der ehemals Freien Stadt Danzig waren die Verluste an Mensch und Gebäude lieber als die deutsche Unterjochung. Gemeinsam mit den Danzigern haben polnische Restauratoren die Stadt in einem kaum vorstellbaren Willensakt buchstäblich aus der Asche heraus auferstehen lassen. Ganz nebenbei haben sie die hohe Schule der Restaurierung von Grund auf neu begründet und sind so zum Weltruhm gelangt. Der kriegerischen Stadtzerstörung ist auch anzulasten, dass die Danziger das historische Zentrum eben nicht „Altstadt“, sondern „Główne Miasto“ (Hauptstadt, Rechtstadt) nennen, und dass hinter den Prunkfassaden sich nur selten originäres Innenleben verbirgt. Die Verluste an Sammlungsstücken und alten Kunstgegenständen sind unvorstellbar groß. Mittlerweile sind einige der Prachthäuser der ulica Długa und Długi Targ zu chicen Hotels, Restaurants, Kunstgalerien und Antiquitätenläden umgestaltet worden. Scheuen Sie sich nicht, hier und da in das jeweilige Parterre hineinzuschauen, das Sie mit alter Ausstattung – teils geschnitzten, teils bemalten Danziger Balkendecken, gedrechselten Treppenaufgängen, Danziger Möbeln, Gobelins u.v.m. – überraschen wird.
Ferienunterkunft in Polen buchen
3. Danzigs Sehenswürdigkeiten im Galopp
Die zahlreichen Highlights von Danzig stehen an so vielen Stellen ausführlich beschrieben, dass ich neben der erwähnten Marienkirche nur noch drei Attraktionen hervorheben möchte. Meine kleine Auswahl ist bestens für ein „Winterliches Danzig“ geeignet, weil sie sich hervorragend für die Innenbesichtigung eignet:
(1) das Rechtsstädtische Rathaus/Ratusz Głównego Miasta mit originären Repräsentationsräumen, Wandmalereien und Danziger Möbeln, sowie kleiner Ausstellung zu den Aufbauarbeiten der „Altstadt“
(2) der Arthus Hof/Dwór Artusa, eine große Renaissancehalle, die Kaufleuten und Adeligen als Bar, Treffpunkt und Börse diente. Beachten Sie im Inneren die alte Biertheke und nutzen Sie den direkten Durchgang zum benachbarten Haus, dem Nowy Dom Ławy (Neuer Sitzungssaal), der gleicherweise sehr sehenswert ist,
(3) kein Insidertipp aber für mich gerade im verschneiten Danzig eine der schönsten Straßen der Welt: die Marienstraße/ulica Mariacka. Mit ihren erhobenen, wunderschönen Barock- und Rokoko-Hauseingängen, den massiven Danziger Türen und verspielten Ornamenten hat sie schon für viele Filme (z.B. die TV-Serie „Die Buddenbrooks“ nach dem Roman von Thomas Mann) eine adäquate Kulisse abgegeben. Versäumen Sie nicht, in einen der dortigen Restaurants, Cafés und Silber & Bernstein-Schmieden reinzuschauen. Antiquitätenläden genauso wie Antiquariate und Kunstgalerien haben hier sowie auf der ul. Długa eine alte Tradition.
4. Zwei Museen, viele Top-Exponate
Danzig hat zahlreiche überaus interessante Museen zu bieten – es mausert sich überhaupt gerade zu einer „Museumsstadt“. Für einen Ausflug in das „Winterliche Danzig“ möchte ich Ihnen zwei eher gemütliche Museen vorstellen. Für den zweiten Teil meiner Danziger-Trilogie, das „Frühlingserwachen“, habe ich für Sie zwei top-moderne Highlights der Danziger Museumslandschaft ausgesucht, die sich meiner Ansicht nach aber eher für die wärmeren Monate eignen. Im verschneiten Danzig ist das 1870 gegründete Museum, das zum Teil im spätgotischen Franziskanerkloster untergebracht ist, genau das richtige, um am kalten Vormittag besucht zu werden. Dieser Klassiker der Museumslandschaft ist das Nationalmuseum/Muzeum Narodowe w Gdańsku, das zu den ältesten Museen Polens zählt. Wer schon die Kopie des „Jüngsten Gerichts“ von Memling in der Marienkirche bewundert hat, der wird hier das atemberaubende Original von 1467/1473 zu sehen bekommen. Für mich eines der faszinierendsten spätmittelalterlichen Gemälden überhaupt, das für einen Florentiner bestimmt war und von einem Danziger Pirat (samt dem Schiff) gekapert wurde. Die Schiffsbeute wurde unter anderem an drei daran beteilige Danziger Patrizier aufgeteilt und das Triptychon an die Marienkirche gespendet. Sind Sie des Polnischen mächtig – oder vertrauen Sie auf Google-Translator ? Dann empfehle ich Ihnen die kurze aber gute Beschreibung des Altarbildes auf der Homepage des Museums. Das Museum hat nicht nur über 60.000 Exponate vom 15. bis 18. Jahrhundert, sondern veranstaltet regelmäßig sehenswerte Sonderausstellungen, so dass dort sicherlich etwas für jedes Interesse zu finden sein wird. Zu den insgesamt fünf Dependancen des Nationalmuseums zählt unter anderem das Stadtpalais Zielona Brama am Langen Markt und die Danziger Foto-Galerie/Gdańskiej Galerii Fotografii, wo Sie interessante moderne Kunst zu sehen bekommen.
Mein zweiter Tipp im Winter ist das Bernsteinmuseum/Museum Bursztynu. Lassen Sie sich die Seele von der ungewöhnlichen Schönheit dieses Naturprodukts aus dem Harz prähistorischer Urwälder, die ehemals die Ostsee bewaldeten, erwärmen. Sie finden es in einem interessanten Gebäude, dem mittelalterlichen Stadttor am Anfang der ul. Długa untergebracht. Sein polnischer Name „Katownia“ verweist auf seine mittelalterliche Funktion als Verlies und Folterkammer. Das Museum veranschaulicht anhand spannender Exponate – riesige Bernsteinklumpen, antike Schmuckobjekte aus Bernstein, faszinierende Inklusionen prähistorischer Tiere und Pflanzen –, womit die Hansestadt Danzig mitunter reich geworden ist.
5. Shopping, wenn es winterlich kalt ist
In Danzig lässt es sich wunderbar einkaufen. Es sind die kleinen Läden, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie finden Sie in der schönen Marienstraße oder in den anderen Seitengassen der „Rechtsstadt“ und der „Altstadt“. Aber wer Malls liebt, wird in der Galeria Bałtycka Shopping Center oder in dem brandneuen Forum Danzig auf seine Kosten kommen. Wenn Sie etwas Traditionelles suchen, dann empfehle ich Ihnen das sehenswerte alte Backsteingebäude der Markthalle am Dominikanerplatz/Hala Targowa, wo man durch Marktstände schlendert und dazwischen die Ruinen einer romanischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert entdeckt. Geht es aber mehr um das Kulinarische, so liebe ich den Gdański Bazar Natury, den „Natur-Bazar“ Danzigs, der mich stark an vergleichbare Institutionen in Kapstadt, Südafrika, erinnert. Und das sicherlich nicht wegen geschnitzter afrikanischer Nippessachen, sondern wegen der ökologischen Leckereien, die dort angeboten werden.
Mein Tipp: Danzig bietet sehr viele herausragende Restaurants an, die originäre Polnische und/oder Danziger Küche auf höchstem Niveau bieten – wie beispielsweise das „Goldwasser“, „Prologue“ oder „Motława“ . Wer im Winter in Danzig weilt und gerne Fisch in einem legendären Restaurant essen möchte, das schon die sozialistische Zeit erlebt und unbeschadet überlebt hat, der muss einfach das im Rokoko-Stil ausgestattete Restaurant „Pod Łososiem“ (Unter dem Lachs) aufsuchen. Hier serviert man, beleuchtet von Kandelabern und umgeben von goldgerahmten Gemälden und historischem Mobiliar, köstlich zubereitete Spezialitäten aus der danzig-polnischen Küche. Fisch ist hier eigentlich ein Muss – aber auch das Wildschwein ist nicht zu verachten. Vertrauen Sie mir, und starten Sie mit einer feinen Bouillon mit selbstgemachten litauischen Lamm-Teigtaschen, „Kołduny“, die die Danziger als ihre Spezialität ansehen. Ein Traum! Mit etwas Glück sitzen Sie vis à vis von Lech Wałęsa, dem Nobelpreisträger und Anführer der legendären Gewerkschaft Solidarność, der dieses Restaurant schon immer favorisierte. Sie werden ihn problemlos an seinem Markenzeichen, dem altpolnischen großen Schnurrbart erkennen.
Wann geht es für Sie nach Danzig?