Ferienhaus-Tourismus ohne Nachhaltigkeit wird es zukünftig nicht mehr geben. Da sind wir uns alle einig. Mit den gesteckten Klimazielen, den steigenden Energiekosten und der Corona-Pandemie nimmt das Thema „Nachhaltigkeit“ nochmals rasant an Fahrt auf. Doch was können wir alle und im speziellen Vermieter:innen von Ferienunterkünften tun, um nachhaltiger zu werden? Wir haben mit Dominika Mazurkiewicz von der Klimapatenschaft darüber gesprochen, was eine nachhaltige Ferienunterkunft ausmacht und welche Maßnahmen Gastgeber:innen treffen können, um Ressourcen zu sparen, ökologische Belastungen zu vermeiden und letztendlich Kosten zu sparen. Erfahren Sie zudem, wie die Zertifizierung zur „Nachhaltigen Ferienunterkunft“ durch die Klimapatenschaft abläuft und welche Kriterien relevant sind.
Über Klimapatenschaft Tourismus
Liebe Frau Mazurkiewicz, wir freuen uns sehr, dass Sie uns als Interviewpartnerin für das wichtige Thema „Nachhaltigkeit in der Ferienunterkunft“ zur Verfügung stehen. Bitte erzählen Sie uns doch kurz, wofür die Klimapatenschaft Tourismus GmbH steht und welches Verständnis von Nachhaltigkeit Ihr Unternehmen zu Grunde legt.
Bei der Klimapatenschaft Tourismus GmbH handelt es sich um eine Beratungsagentur für nachhaltige Entwicklung. Beraten werden touristische Unternehmen, Institutionen und Destinationen bei der Entwicklung von nachhaltigen Projekten oder der Ausrichtung des Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit.
Unser Verständnis von Nachhaltigkeit beinhaltet eine ganzheitliche Sichtweise. Wir betrachten die Felder Management, Umwelt, Soziales, Wirtschaft, Mobilität, Kultur und Kommunikation und ihre Wechselwirkungen, da diese starken Einfluss aufeinander haben. Dabei legen wir viel Wert darauf, Nachhaltigkeit erlebbar zu machen und möchten Menschen dafür begeistern.
Nachhaltiges Reisen gewinnt an Relevanz
Wie ist aktuell das Bewusstsein für nachhaltiges Reisen aus Ihrer Sicht in der Bevölkerung?
Auch wir in Deutschland bleiben nicht länger von Extremwetterereignissen verschont und diese Realität des Klimawandels vor der eigenen Haustür weckt für viele Menschen den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit, auch im Urlaub.
Wie schätzen Sie das konkrete Reiseverhalten aktuell ein? Buchen tatsächlich auch immer mehr Menschen z.B. eine nachhaltige Ferienunterkunft und/oder bevorzugen die Anreise mit der Bahn? Und wenn nicht, woran liegt dies? Ist es mangelnde Motivation oder Information?
Auch der Wunsch nach ökologisch und sozial verträglichem Reisen steigt seit Jahren an. 71% der Reisenden wollen 2022 nachhaltiger reisen, das sind 10% mehr als noch 2021. Dabei gibt es allerdings die Problematik, dass viele nicht wissen, dass nachhaltige Angebote existieren oder wo diese zu finden sind. Dies setzt vor allem die Anbieter in die Pflicht, nachhaltige Angebote zu schaffen und diese auch so zu kommunizieren, dass die Gäste darauf aufmerksam werden.
Kriterien einer nachhaltigen Unterkunft
Welche Teilbereiche bzw. Kriterien zählen aus Ihrer Sicht zur Gestaltung einer nachhaltigen Ferienunterkunft? Welcher Bereich ist der wichtigste oder ist die Summe der Teilbereiche entscheidend?
Das Gesamtbild ist also wichtig, trotzdem müssen in manchen Bereichen grundlegende Maßnahmen erfüllt werden, um die Zertifizierung zu erhalten. Darüber hinaus werden auch Bonuspunkte für zusätzliche Maßnahmen vergeben, die bis zu 10% der Gesamtpunktzahl ausmachen können.
Praktische Maßnahmen für Gastgeber
Können Sie 3 praktische Maßnahmen unseren Gastgeber:innen mit auf den Weg geben, die sofort und ohne großen Aufwand umsetzbar sind?
Hinsichtlich der steigenden Energiepreise wäre meine erste Empfehlung die Umstellung auf Ökostrom, der entgegen vieler Erwartungen nicht mehr teurer ist als der konventionelle Strom.
Im nächsten Schritt können Duschköpfe ausgetauscht werden. Ein Standard-Duschkopf verbraucht bis zu 15 Liter in der Minute, wohingegen ein wassersparender Duschkopf nur 6 Liter die Minute braucht. So können sowohl Wasser als auch Energie für die Warmwasserbereitung und somit erhebliche Kosten eingespart werden. Gastgeber:innen können ihren Gästen auch Gegenstände wie Einkaufstaschen, Wasserflaschen und Aufbewahrungsbehälter für Lebensmittel bereitstellen, damit die Gäste keine Einwegprodukte nutzen müssen und somit auf die Plastikproblematik sensibilisiert werden.
Gäste der FeWo für mehr Nachhaltigkeit sensibilisieren
Thema Kommunikation: Niemand möchte seine Gäste gerne mit Verhaltensregeln und Hinweisen im Urlaub überschütten, schon gar nicht maßregeln. Wie können Gastgeber:innen trotzdem Ihre Gäste animieren, ökologische Belastungen und Ressourcenverbräuche zu reduzieren?
Das geht am besten, indem die nachhaltige Option die einfachere Option ist und Spaß macht. Das Bereitstellen von Fahrrädern und geplanten Routen zu den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung erleichtert vielen die Entscheidung für das Fahrrad, da sie nicht mehr groß über die Routenplanung nachdenken müssen. Es kann auch der Anreiz gegeben werden, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, wenn diese Option als erste auf der Webseite kommuniziert wird. Spielerische Aspekte, wie z. B. Ampeln an der Dusche, die je nach Duschdauer grün, gelb oder rot werden oder Apps, in denen man mit seinen Freunden vergleichen kann, wie oft die Wasserflasche aufgefüllt wurde, unterstützen ebenso die Motivation zum nachhaltigen Handeln.
Wissenswertes zur Zertifizierung: Vorteile, Ablauf, Kosten
Sie bieten mit der Zertifizierung von Ferienunterkünften, eine großartige Möglichkeit für Vermieter:innen, die eigene Ferienwohnung nachhaltiger zu gestalten und dies auch nach außen zu kommunizieren. Können sich auch Gastgeber:innen bei Ihnen melden, die noch keine große Expertise zum Thema Nachhaltigkeit haben, nicht komplett energieautark und klimaneutral sind, aber nun gerne starten möchten?
Welche Vorteile ergeben sich aus der Zertifizierung für Vermieter und Vermieterinnen? Was berichten Ihnen bereits zertifizierte Gastgeber:innen?
Anhand einer Zertifizierung können Gäste ohne große Recherche erkennen, dass eine Immobilie nachhaltig ist. Die Zertifizierung bietet Gastgeber:innen so ein Instrument der Vermarktung, die Möglichkeit die Nachhaltigkeitsleistung zu kommunizieren und daraus einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Immer mehr Buchungsplattformen führen außerdem das Suchkriterium „Nachhaltigkeit“ ein, dort werden die zertifizierten Immobilien gelistet und treffen auf die interessierte Zielgruppe. Außerdem erhalten Gastgeber:innen Zugang zur Einkaufsgemeinschaft für nachhaltige Produkte und Empfehlungen zur weiteren Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung.
Bereits zertifizierte Gastgeber:innen berichten uns, dass sie sich über die Tipps zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen freuen und dass die kostenlose Berechnung des CO2-Fußabdrucks ein hilfreiches Angebot ist.
Wie läuft der Zertifizierungsprozess genau ab? Läuft der Besichtigungstermin immer vor Ort ab oder gibt es auch bereits digitale Besichtigungen? Haben Sie Partner vor Ort?
Der erste Schritt der Zertifizierung findet online mit Hilfe eines Fragebogens statt. So haben wir die Möglichkeit eine erste Einschätzung zu dem jeweiligen Objekt zu bekommen. Im nächsten Schritt nehmen wir eine Besichtigung des Objekts vor Ort oder online vor. Dann werden die Ergebnisse ausgewertet und die entsprechenden Unterlagen erstellt.
In einigen Orten kooperieren wir mit den regionalen Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs). Dabei werden Mitarbeitende der DMO durch uns ausgebildet und können dann die Besichtigung der Objekte durchführen. Wir arbeiten daran, ein lückenloses Partnernetzwerk zu entwickeln um Zertifizierung möglichst kundennah und -freundlich durchführen zu können.
Was ist, wenn die Immobilie nicht zertifiziert werden kann?
Für eine Zertifizierung müssen 70% der Gesamtpunktzahl erreicht werden. Auch wenn dies nicht der Fall ist, erhalten Gastgeber:innen einen Bericht mit Verbesserungsvorschlägen, um die Nachhaltigkeitsleistungen zu verbessern. Daraufhin haben sie 6 Monate Zeit, Maßnahmen umzusetzen und bekommen dann erneut die Chance zertifiziert zu werden. Sollte die Zertifizierung auch nach der Verbesserungsphase nicht erteilt werden können, bezahlen die Gastgeber:innen eine reduzierte Gebühr von 100€.
Können sich derzeit nur Ferienunterkünfte in Deutschland für die Zertifizierung bewerben oder zertifizieren Sie auch Ferienwohnungen und Ferienhäuser im Ausland?
Wir führen bereits Gespräche, die Zertifizierung im gesamten DACH-Raum anzubieten. Es spricht aber derzeit nichts dagegen, die Zertifizierung auch in weiteren Länder anzubieten. Nach Bedarf können wir den Prozess jederzeit auch auf Englisch vornehmen.
Wie und wo können sich Vermieter:innen für den Zertifizierungsprozess anmelden?
Über den Link gelangen Sie zu der Demo-Version des Fragebogens, in der Sie sich ein paar Beispiel-Fragen anschauen und Ihre Kontaktdaten hinterlassen können. Eine:r unserer Mitarbeiter:innen wird sich dann bei Ihnen melden. Sie können sich auch gerne telefonisch unter +49 (0) 151-10385975 oder per Mail unter info@klimapatenschaft.de bei uns melden oder sich näher auf unserer Website klimapatenschaft.de informieren.
Was kostet die Zertifizierung und was gilt für Vermieter:innen mit mehreren Wohnungseinheiten?
Die Zertifizierung inklusive der Besichtigung des Objekts liegt bei 300€, dazu kommt bei erfolgreicher Zertifizierung noch die Nutzung des Siegels „Nachhaltige Ferienimmobilie“ inkl. Holzsiegel für 75€ für 3 Jahre. Vermieter:innen mit mehreren identischen Wohneinheiten bezahlen einmalig die 300€ und für alle weiteren Einheiten ausschließlich die Gebühr für das Siegel.
Exklusiv: 50 € Rabatt auf die Zertifizierung
Möchten auch Sie Ihre Ferienwohnung zertifizieren lassen, haben wir einen tollen Rabatt für Sie. Einfach im Anmeldeformular den Rabatt-Code eintragen oder in der E-Mail an Klimapatenschaft darauf hinweisen. Der Rabatt ist gültig bis zum 31.07.2022.
Klimaneutrale Übernachtung
Last but not least: Was hat es mit dem zusätzlichen Siegel „klimaneutrale Übernachtung“ auf sich?
Zusätzlich wird im Prozess der Zertifizierung kostenfrei auch der CO2-Fußabdruck der Immobilie berechnet, der alle durch die Immobilie freigesetzten direkten und indirekten Emissionen umfasst. Gastgeber:innen haben dann die Möglichkeit diese Emissionen zu reduzieren und durch Klimaschutzprojekte zu kompensieren. Werden alle Emissionen kompensiert, erhält die Immobilie zusätzlich das Siegel “Klimaneutrale Übernachtung”.
Außerdem bieten wir noch die Möglichkeit an, die Emissionen, die bei der An- und Abreise Ihrer Gäste entstehen, zu berechnen. Auf dieser Basis können auch diese Emissionen ausgeglichen werden und eine klimaneutrale An- und Abreise angeboten werden. Damit auch regionale Naturschutzprojekte unterstützt werden können, ermöglichen wir auch die Übernahme einer Klimapatenschaft für unser KlimaMoor im niedersächsischen Ahlenmoor. Durch einen finanziellen Beitrag können Sie die Renaturierung des Moores unterstützen, womit nicht nur Emissionen gebunden werden, sondern auch ein wertvoller Beitrag für die Biodiversität geleistet wird.
Liebe Frau Mazurkiewicz, wir sagen herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
2 Antworten
Wir haben seit mehr als 20 Jahren nachhaltige Ferienimmobilien. Wir beziehen unseren Strom ausschließlich aus erneuerbaren Quellen.
Der individuelle Verbrauch an Wasser, Strom, Gas, Holz wird bei uns individuelle verrechnet.
Wir haben entsprechende Perlatoren an den Wasserhähnen und Duschköpfen – seit Jahren!
Was mich stört, sind die Gäste, die der Meinung sind, sie benötigen unbedingt ein Haus mit Pool. Bei uns liegt die große Badewann Adria vorder Haustür, es gibt Tipps für Badebuchten in Felsnischen, Flussläufen und Seen. Aber Eltern meinen, dass sie ihren Kindern ein Haus ohne Pool nicht zumuten könnten. Welche ein Irrtum in Zeiten des Klimawandels. Wenn ich hier – bei ebay – auf den Sachverhalt hinweise, erhalte ich eine negative Bewertung. Mein Hinweis wird als bedrohlich empfunden!
Bedrohlich ist aus meiner Sicht lediglich das Unwissen und die Ignoranz der Eltern. Die Kinder werden in wenigen Jahren die Folgen des fehlerhaften Verhaltens „erleben“ müssen. Wir haben ein isoliertes Haus, 60 cm dicke Steinmauern, Isolierglasscheiben und dicke Fensterläden, zudem große schattenspendende Steineichen, die wir pflegen und hegen. Gefordert wird eine Klimaanlage!
Unsere eingeetzten Haushaltsgeräte sind danach gekauft, dass sie wenig Energie verbrauchen, wir setzen entsprechende energiesparende Leuchtmittel ein. etc.
Wenn ich jetzt für ein solches Siegel, das für drei Jahre gilt – auch noch Geld zahlen soll – ohne erkennbaren Gegenwert, dann empfinde ich dies als einen weiteren Marketinggag, der mir Geld aus der Tasche zieht.
Bei Ferienhausmiete – seit Jahren gelistet – erzielen wir nur sehr geringe Nachfrage. Für das Haus in Italien keine einzige Buchung!
Liebe Frau Dr. Wirth,
wir freuen uns, dass Sie schon viele Maßnahmen treffen, um Ihr Ferienhaus nachhaltiger zu gestalten. Viele Vermieter greifen gerne auf das tolle Angebot von Klimapatenschaft zurück, um prüfen zu lassen, wie sie ihre Ferienunterkunft noch nachhaltiger gestalten können. Das Siegel bietet eine tolle Möglichkeit, Gästen zu kommunizieren, dass die Unterkunft nachhaltig ist. Die Inanspruchnahme eines solchen Angebotes liegt aber natürlich im Ermessen jeden Vermieters.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Team von Ferienhausmiete.de